Die Diskussion über digitale Barrierefreiheit wird oft auf ethische und gesetzliche Aspekte reduziert. Dabei bleibt ein entscheidender wirtschaftlicher Faktor häufig unberücksichtigt: Wer im E-Commerce auf Barrierefreiheit verzichtet, verliert bares Geld – in erheblichem Umfang.
Barrierefreiheit ist wirtschaftlich relevant
Laut dem Click-Away Pound Report 2019 entgeht britischen Online-Händlern jährlich ein Umsatzpotenzial von 17,1 Milliarden Pfund, weil ihre Webshops nicht barrierefrei gestaltet sind. Allein in Großbritannien nutzen über 7,15 Millionen Menschen mit spezifischen Zugangsbedürfnissen das Internet zum Einkaufen – mit einer Gesamtkaufkraft von knapp 25 Milliarden Pfund. 69 % von ihnen verlassen jedoch Websites, die nicht zugänglich sind, und weichen auf barrierefreie Alternativen aus.
Innerhalb von nur drei Jahren ist der „Click-Away Pound“ um 45 % angestiegen – ein klares Signal, dass digitale Inklusion wirtschaftlich nicht vernachlässigt werden darf.
Preis ist nicht alles – Nutzerfreundlichkeit entscheidet
Drei Viertel der betroffenen Nutzer:innen gaben an, bereit zu sein, für ein barrierefreies Einkaufserlebnis mehr zu zahlen. Nur ein Bruchteil weist Unternehmen auf Barrieren hin – der Großteil verlässt die Seite stillschweigend. Wer seine Conversion-Rate erhöhen und langfristige Kundenbindung aufbauen möchte, kommt an einem barrierefreien Webdesign nicht vorbei.
86 % der befragten Nutzer:innen gaben an, bei besser zugänglichen Websites auch mehr Geld auszugeben. Der Markt ist vorhanden – aber nur für jene, die ihn ernst nehmen.
Typische Barrieren im Onlinehandel
Häufige Probleme sind überfrachtete Seitenlayouts, mangelnder Farbkontrast, nicht bedienbare Formulare sowie reCAPTCHA-Tests, die besonders für Screenreader-Nutzer:innen kaum zu bewältigen sind. Auch dynamische Inhalte, schlecht beschriftete Links oder unstrukturierte Navigation erschweren vielen Menschen die Nutzung massiv.
Mobile Barrierefreiheit wird zunehmend entscheidend
Die mobile Nutzung nimmt stark zu – insbesondere bei Nutzer:innen mit Einschränkungen. Während 2016 nur 7 % der befragten Personen Smartphones bevorzugten, waren es 2019 bereits 30 %. Für Unternehmen bedeutet das: Wer seine mobile Website nicht barrierefrei gestaltet, verliert zusätzlich Marktanteile.
Barrierefreiheit betrifft weit mehr als nur Screenreader
Barrierefreiheit ist kein Nischenthema. Sie betrifft Menschen mit motorischen Einschränkungen, altersbedingten Veränderungen, kognitiven Besonderheiten oder Sehbehinderungen – bis hin zu den rund 8 % aller Männer mit einer Form der Farbenblindheit. Eine schlecht zugängliche Website kann dabei genauso abschreckend wirken wie ein unaufgeräumtes Schaufenster im stationären Einzelhandel.
Fazit: Barrierefreiheit ist ein Wettbewerbsfaktor
Barrierefreiheit ist kein optionales Extra, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor im digitalen Wettbewerb. Wer sie konsequent umsetzt, steigert nicht nur die Nutzerfreundlichkeit, sondern erschließt einen loyalen und zahlungskräftigen Kundenkreis. Unternehmen, die hier investieren, sichern sich langfristige Vorteile – nicht nur im Umsatz, sondern auch im Image.
Die Frage lautet nicht mehr, ob sich Barrierefreiheit lohnt, sondern wie lange man es sich noch leisten kann, darauf zu verzichten.